Der Fiskus (die öffentliche Hand), der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, haftet für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers. Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Mit Schreiben vom 05.06.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert. Unterdessen erwirkte die Beklagte gegen den Kläger drei Anerkenntnisurteile betreffend das Wohngeld für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung. Mit seiner Vollstreckungsgegenklage möchte der Kläger, gestützt auf die „Dürftigkeitseinrede“ gemäß § 1990 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird. Hiermit hatte er letztlich Erfolg.

Bei den titulierten Wohngeldschulden handele es sich nicht um Eigenverbindlichkeiten des Klägers, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die den Kläger grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Absatz 1 BGB berechtigten, so der BGH. Andere Erben als der Fiskus hafteten zwar für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. Dies lasse sich auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus aber nicht übertragen. Denn ihm sei gemäß § 1942 Absatz 2 BGB das Recht versagt, die Erbschaft auszuschlagen.

Ob ein Verhalten des Fiskus die Qualifizierung der Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeit rechtfertigt, müsse deshalb unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des Fiskalerbrechts nach anderen Kriterien bestimmt werden. Hiernach stellten Wohngeldschulden in aller Regel nur Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Fiskus nehme eine Ordnungsfunktion wahr. Herrenlose Nachlässe sollen vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung soll gesichert werden. In aller Regel werde der Fiskus deshalb bei seinen Handlungen nur seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Nachlass abzuwickeln. Nur wenn er seine Rolle als Nachlassabwickler verlässt, also zu erkennen gibt, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, sei es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird nach Ansicht des BGH durch die Annahme einer Nachlassverbindlichkeit nicht unangemessen benachteiligt. Sie könne nämlich in der Regel ihre Rechte im Wege der Zwangsversteigerung effektiv durchsetzen, weil die Wohngeldansprüche im Rahmen des § 10 Absatz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung bevorrechtigt sind und den Rechten der nachfolgenden Rangklassen – insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten – vorgehen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehle es hier an einem Verhalten des Klägers, das über die Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltung und der Abwicklung des Nachlasses hinausgeht und den Schluss zulässt, der Kläger wolle die Wohnung für eigene Zwecke nutzen.

Der BGH hat die Sache an das Landgericht, das die Klage zunächst abgewiesen hatte, zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dieses müsse die von ihm bislang offen gelassene Frage klären, ob der Nachlass tatsächlich dürftig im Sinne des § 1990 Absatz 1 BGB ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2018, V ZR 309/17

Autor: Miles B. Bäßler

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